Lebensschutzvorgabe des Bundesverfassungsgerichts

 

 

 

 

 

 

 

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Lebensschutzvorgabe des Bundesverfassungsgerichts

Ethische und grundgesetzkonforme Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs

von Gita Neumann

Bei der Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ist ein erneutes Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu vermeiden. Das höchste Gericht dürfte allenfalls eine Lösung zulassen, die neben dem Selbstbestimmungsrecht der Frau einen Schutz auch für das „ungeborene Leben“ berücksichtigt. Aus Sicht einer humanistischen Ethik ist für frühe Embryonen bis zur 20. Schwangerschaftswoche eine grundgesetzliche Menschenwürde zurückzuweisen, stattdessen sollte ein in Stufen wachsender Lebensschutz für entwickelte Föten eingeführt werden.

Seit Jahrzehnten gibt es die frauenpolitische Forderung, den § 218 StGB (Strafgesetzbuch) und seine Folgeparagrafen v.a. 218a (Ausnahmeregelungen), 219 (Beratung) und zudem 219a (Werbeverbot) abzuschaffen. Immerhin hat der Bundestag im Sommer 2022 die ersatzlose Streichung des Verbots von sogenannter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche per Gesetz beschlossen: „SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und DIE LINKE votierten für die Abschaffung – CDU/CSU und AfD dagegen.“[1] Im Gesetzgebungsverfahren ist u.a. die Stellungnahme des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) vom Bundesjustizministerium veröffentlicht worden.[2] Darin mahnt der HVD-Bundesverband an, dass mit Verzicht auf § 219a die strengen Lebensschutzvorgaben im § 218 StGB keinesfalls entschärft seien.[3]

Gemäß diesem ist jeder Schwangerschaftsabbruch ab der Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut (Uterus) als Tötungsdelikt mit Gefängnis bedroht – für Ärzt*innen bis zu drei Jahren. Dazu wird im § 218 StGB zunächst ein Würde- und Lebensschutz bereits für ein winziges, nur wenige Male geteiltes Zellgebilde vorausgesetzt. Die dahinterstehende „Moral“-Lehre begründet dies mit menschlichem Leben, welches dann zunächst als Embryo und einige Monate später als Fötus potenziell zu einem menschlichen Individuum heranreifen könne.

Die Fassung der §§ 218 ff. StGB besteht seit 1995 aufgrund der Vorgaben eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes. Dieses hat sich auf den Schutz des Lebens und der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG berufen. Laut der gesetzlichen Regelung kann jedoch von Strafbarkeit abgesehen werden, und zwar regulär bei Abbrüchen bis zur 12. Schwangerschaftswoche nach einer verpflichtenden Beratung mit mindestens dreitägiger Bedenkzeit. Dann bleibt allerdings die Rechtswidrigkeit bei allen Abbrüchen erhalten, sofern sie nicht durch bestimmte Indikation – dann auch als Spätabbrüche unbefristet sogar bis zur Geburt – gerechtfertigt sind.

Wenngleich im praktischen Umgang mit dem Gesetz die Zahl der Abbrüche seit Jahren relativ konstant bleibt, hat doch seine Verbotswirkung zu einer dramatisch verschlechterten Versorgungslage mit regionalen Notstandsgebieten[4] und erschwerten Zugangsbedingungen geführt. Ein kontinuierlicher Rückgang von gemeldeten ärztlichen Stellen, die überhaupt (noch) Abbrüche vornehmen, ist statistisch belegt; danach hat sich deren Zahl innerhalb von 18 Jahren fast halbiert.[5]  Ächtung und Stigmatisierung wirken sich negativ auf die reproduktive Gesundheit und Selbstbestimmung von ungewollt schwangeren Frauen aus.[6]

Auf Grundlage des Ampelkoalitionsvertrages wurde am 31. März 2023 eine aus 18 Professor*innen interdisziplinär zusammengesetzte „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ einberufen[7]. Sie soll ein Jahr lang u.a. „Möglichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches“ (StGB) prüfen. Doch selbst wenn dabei begrüßenswerte Ergebnisse zustande kommen: Der Bundestag bleibt bei seiner Entscheidung nicht frei, sondern unterliegt bis auf weiteres den verfassungsrechtlichen Grundsätzen von vor dreißig Jahren. Allerdings gelten deren Detailvorgaben nicht nur als moralisch veraltet und frauenrechtlich überholt, sondern auch von Anfang an mit der Formel „straffrei, aber rechtswidrig“ als paradox zustande gekommen[8]. Angesichts dieser Unstimmigkeiten wären jedenfalls mögliche Spielräume des Gesetzgebers auszuschöpfen.

Für eine neue Gesamtregelung des Schwangerschaftsabbruchs sind folgende Punkte beachtlich:

  • Die bestehende Strafrechtsregelung vermag rechtwidrig bleibende Abbrüche nicht zu verhindern, sondern für unerwünscht Schwangere lediglich zu erschweren, und indizierte Spätabbrüche nicht adäquat zu regeln.
  • Der Lebensschutz wird mit Verzicht auf ihn für frühe Embryonen, mit Abschaffung der Beratungspflicht und mit Herausnahme aus dem Strafrecht nicht unverhältnismäßig eingeschränkt.
  • Das Konzept eines in Stufen wachsenden Schutzes, der nach dem jeweiligen Stand des entwickelten Fötus zu differenzieren ist, dürfte heute Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben.
  • Eine Neuregelung hat sich an zeitgemäßen Ethikmaßstäben und verfassungsrechtlichen Abwägungen sowie an Erkenntnisfortschritten etwa der Pränataldiagnostik zu orientieren, wobei jeder Spätabbruch als Einzelfall zu betrachten ist.

„Fauler Kompromiss“ von 1995 durch BVerfG erzwungen

Mit der heute geltenden Fassung der §§ 218 ff. StGB hat der Gesetzgeber von 1995 versucht, in einem „faulen Kompromiss“ die widersprüchlichen Anforderungen des BVerfG auszubuchstabieren. Dieses hatte zunächst im Urteil I von 1975[9] die unter der Brandt-Regierung vorgenommene Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gekippt. Die BVerfG-Auffassung verstetigte sich 1993 mit der Verwerfung einer liberalen Fristenregelung nach dem deutschen Einigungsvertrag. Erneut erklärte das höchste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht, es als unvereinbar mit dem Grundgesetz, dass Abbrüche nicht mehr als rechtswidrig, sondern auch nach dem Sittengesetz als zulässig gelten sollten. Ähnlich wie 1975 wurde im zweiten BVerfG-Urteil II zum Schwangerschaftsabbruch von 1993[10] zur Begründung ausgeführt: Der Verzicht auf die Rechtswidrigkeit sei ein Verstoß gegen die staatlich zu schützende Menschenwürde (hier die des Ungeborenen vom Entwicklungsstadium einer Blastozyste[11] an!) gemäß Grundgesetz und würde den selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch in unzulässiger Weise moralisch rechtfertigen. Dieser solle im Regelfall zumindest (!) als rechtswidrig missbilligt – soll heißen stigmatisiert – bleiben. Seiner verfassungsrechtlich und sittlich gebotenen Verpflichtung komme der Gesetzgeber nur nach, wenn er Schwangeren die grundsätzliche Rechtspflicht auferlege, ein Kind auszutragen. Ein Schutzkonzept müsse sicherstellen, dass die Schwangere sich dieser Rechtspflicht jederzeit bewusst ist. Dies sei – so gibt es das BVerfG vor – durch eine „präventive Pflichtberatung“ zu gewährleisten (wie sie dann gesetzlich 1995 im § 219 StGB durch anerkannte Stellen zur Schwangerschaftskonfliktberatung normiert wurde).

In der mühsam errungenen strafrechtlichen Gesamtregelung von 1995 sind dann in einem Zusatzparagrafen 218a StGB alle Ausnahmeregelungen aufgeführt worden. Denen zufolge kann unter bestimmten Bedingungen von Strafe abgesehen werden, muss aber die Unrechtswertung erhalten bleiben – es sei denn, der Abbruch erfolgt aufgrund einer der beiden zulässigen Indikationen: In aller Regel aufgrund lebensbedrohlicher bzw. schwerster Gesundheitsschädigung der Frau oder (in zahlenmäßig zu vernachlässigenden einigen Dutzend Fällen) aufgrund einer Vergewaltigung, das heißt medizinisch oder kriminologisch indiziert. Nur in diesen nicht rechtswidrigen Fällen gibt es eine reguläre Kostenübernahme durch die Krankenkasse.

Jährlich werden durchschnittlich in rund 100.000 Fällen Abbrüche vorgenommen[12], davon die überwältigende Mehrheit[13] von gut 96 % bis zur 12. Schwangerschaftswoche gemäß § 218a StGB. So lange kann für die Abtreibung eines Embryos (der dann auf ca. 5 cm angewachsen und bis zu 15 g schwer ist) die medizinische Absaugmethode (Vakuumaspiration) quasi legal angewendet werden. Die restlichen gut 3.000 Fälle (3-3,5 Prozent) beruhen zeitlich unbeschränkt auf der medizinischen Indikation (Gesundheitsgefährdung der Frau).

So gut wie für alle Abbrüche von Beginn bis einschließlich der 12. Woche der Schwangerschaft gilt das Verdikt der verbleibenden Rechtswidrigkeit. Diese entfällt dagegen bei pränatal diagnostiziertem organischem oder genetischem Defekt eines höher entwickelten Fötus. Dabei ist eine spezielle embryopathische Indikation aufgrund einer mehr oder weniger ausgeprägten Fehlentwicklung im § 218a StGB gar nicht vorgesehen. Sie wurde 1995 vielmehr aufgegeben und schlechterdings als „unzumutbare Belastung“ der Frau unter die ihr vorbehaltene medizinische Indikation subsumiert. De facto kann der Fötus (bei einem Gewicht etwa ab 500 g nach vorheriger Tötung im Uterus durch eine Kaliumchloridspritze) prinzipiell dann unbefristet, das heißt bis zum 9. Schwangerschaftsmonat, legal abgetrieben werden – ohne angebliche Schutzwirkung wie durch eine Beratungspflicht.

Im Beitrag Quer zur Wirklichkeit beschreibt Ulrike Lembke, Professorin für öffentliches Recht und Genderforschung, diese besonders paradoxe Folgewirkung der vor über 25 Jahren erfolgten Kompromissbildung. Als dort, wie von Abtreibungsgegner*innen und Lebensschützer*innen gefordert, „die embryopathische Indikation 1995 gestrichen wurde, ging ein Teil der Behindertenbewegung davon aus, dass sich so eine als diskriminierend empfundene Praxis einschränken ließe … Dies war jedoch nicht der Fall.“[14] Vielmehr ging sozusagen der Schuss nach hinten los. Seitdem können nämlich Spätabbrüche ungehindert, das heißt ohne psychosoziale Beratung und ohne Rechtswidrigkeitsvorbehalt, bis kurz vor der Geburt vorgenommen werden, „wenn angenommen wird, dass eine Behinderung des Fötus die Schwangere unzumutbar belasten würde“, wie Lembke ausführt.

Parteipolitische Positionierungen in der Ampelkoalition

Eine Argumentation für die Beibehaltung des 1995 errungenen Kompromisses in den §§ 218 ff. besagt, dass dessen Aufkündigung zur unversöhnlichen Konfrontation zwischen feministischen Pro-Choice-Aktivist*innen einerseits und radikalen Pro-Life-Fundamentalist*innen andererseits führen würde – mit der möglichen Gefahr einer politisch-ideologischen Aufladung, wie dies in den USA der Fall ist.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hingegen drängt auf Abschaffung von § 218 StGB. Dabei scheint der Entwicklungsstand von Föten ausgeblendet zu sein, wenn sie betont: „Wer anders als die Schwangeren selbst sollte entscheiden, ob sie ein Kind austragen möchten oder können?“ Bei der uneingeschränkten Wahlfreiheit handele es sich um den „Grundpfeiler“ des Frauenrechts auf reproduktive Selbstbestimmung.[15] Für den Fall, dass dieser Vorstoß gesetzlich erfolgreich sein könnte, kündigte die Bayrische Staatsministerin Ulrike Scharf (CSU) an, dass umgehend ihre Landesregierung erneut Verfassungsbeschwerde dagegen einreichen würde: „Ein Schwangerschaftsabbruch beendet Leben. Das scheint für die Bundesfamilienministerin überhaupt keine Rolle zu spielen.“[16]

Bei der SPD gibt es gegensätzliche Positionierungen. Aufmerksamkeit erregt hatte ein radikaler Beschluss der Jusos zur Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs[17] vor einigen Jahren, während sich aktuell Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen ausspricht, „die gesellschaftlich konsensfähig sind“. Er betont dabei: „Ethische Fragen in der Medizin müssen mit dem Fortschritt der Wissenschaft immer wieder neu gestellt und beantwortet werden“[18] – wozu die Entwicklung der Pränataldiagnostik der letzten Jahrzehnte mit gemeint sein dürfte.

Sehr zurückhaltend verhält sich die FDP.  Die rechtspolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr (FDP), sagt in der gegenwärtigen Debatte, auch aus verfassungsrechtlichen Bedenken stehe sie „einem Aufkündigen des Kompromisses äußerst skeptisch gegenüber.“[19] Angesichts von Uneinheitlichkeit zumal auch innerhalb der Koalitionsparteien scheint eine gravierend geänderte Regelung des Schwangerschaftsabbruchs eher wenig aussichtsreich.

Selbst als liberal geltende Jurist*innen und säkular-konfessionsfreie Interessenvertreter*innen[20], die für eine Entkriminalisierung eintreten, zeigen sich zu zögerlich, inkompetent oder unwillig, ihre Forderung durch konkrete Reformvorschläge zu untermauern. Das mag insofern verständlich sein, als diese vor einer großen Herausforderung stehen: Sie müssen verfassungsrechtlichen Bestand haben – wobei das höchste Gericht in der Vergangenheit bereits zweimal eher liberale Gesetze nach Inkrafttreten wieder gekippt hat.

Humanistische und (frauen-)rechtliche Stellungnahmen für eine Neuregelung

Es ist längst nicht mehr hinreichend und zielführend, sich gemeinsam auf das Mantra „Weg mit § 218“ zu beschränken.[21] Die Forderung nach ersatzloser (!) Streichung suggeriert, dann solle den Frauen unbefristet jeder Abbruch überlassen sein, die einen späten allein wegen der übergroßen Belastung ja vermeiden würden.[22]

Ende vorigen Jahres sind zwei Organisationen an die Öffentlichkeit getreten, die sich für die Abschaffung der §§ 218 ff. StGB stark machen, dies zunächst ausführlich begründet und konkrete Alternativen unterbreitet haben: im Dezember 2022 der Deutsche Juristinnenbund (djb) mit einem Regelungsmodell aus (frauen-)rechtlicher Perspektive[23] und im Oktober davor der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) mit einer zusätzlichen (medizin-)ethischen Positionierung im Sinne seiner Weltanschauung[24].

Beide Organisationen fordern ausgewiesene Sofort-Maßnahmen zur Verbesserung der medizinischen Versorgungssituation und der Aus- und Weiterbildung für Gynäkolog*innen. Laut Positionspapier des HVD sei bis Ende der 9. Woche „darüber hinaus die ambulante Möglichkeit des frühen medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs mit Hormonpräparaten zu fördern“.

Als Alternative zu den bestehenden §§ 218 ff. StGB wird übereineinstimmend eine erweiterte Fristenregelung außerhalb des Strafgesetzbuchs, und zwar ohne Beratungspflicht vom HVD bis zur 20. Schwangerschaftswoche und vom djb bis zur eigenständigen Überlebensfähigkeit des Fötus vorgeschlagen. In dieser Zeit soll ein Abbruch ausschließlich aufgrund der Entscheidung der Schwangeren erfolgen (damit könnte die kriminologische Indikation entfallen), das heißt ohne staatlich beibehaltende Rechtswidrigkeit, ohne Indikation und ohne das Stigma einer Rechtfertigungs- oder Bedenkzeitpflicht für Frauen. Stattdessen ist ein ausdrückliches Recht auf kostenfreien Zugang zu Beratungsstellen bei freiwilliger Inanspruchnahme zu normieren. Der Juristinnenbund empfiehlt sinnvollerweise, die Neuregelungen im schon bestehenden Schwangerschaftskonfliktgesetz einzuführen. Dort könnte laut djb bei Zuwiderhandlungen (vor allem Fristüberschreitungen) auch auf Sanktionierungen im Sinne des ärztlichen Berufsrechts hingewiesen werden. Ins Strafrecht aufzunehmen wäre lediglich ein neuer Paragraf, ggf. unter dem Abschnitt Körperverletzung, der eine Schädigung des Ungeborenen oder seine Abtreibung ohne Einwilligung der Schwangeren weiterhin pönalisiert. (Denn dieser Passus im bisherigen § 218 würde mit diesem ebenfalls wegfallen.)

Damit wäre allerdings nach neu einzuführenden Fristen nichts über den Umgang mit späteren Abbrüchen gesagt. Diese scheinen einem kollektiven Prozess von Abwehr und Verdrängung zu unterliegen – die taz bezeichnet die Lage als ein „Gemenge von Intransparenz und Geheimniskrämerei“[25]. Es gehöre „zu den Besonderheiten des deutschen Abtreibungsrechts, dass eine detaillierte Statistik nur bis zur 22. Woche verfügbar ist“. Fest steht, dass die absoluten Zahlen von Spätabbrüchen jenseits der Beratungsregelung laut statistischer Vergleichstabelle[26] in den letzten zehn Jahren wenngleich relativ leicht, so doch kontinuierlich gestiegen sind, darunter die Abbrüche „ab 22. Woche und mehr“ von 447 (in 2012) bis auf 740 (in 2022). Es wird dann aber nicht mehr weiter erfasst, wie viele davon etwa noch in den letzten drei Schwangerschaftsmonaten erfolgt sind. Am Ende des 6. bzw. zu Beginn des 7. Schwangerschaftsmonats liegt das Gewicht des Fötus bei ungefähr 550 g bei einer Größe von knapp 30 cm. Es müsste dann vorher zum „Fetozid aufgrund Abordindikation“ [27] – was am liebsten niemand sagen oder wissen möchte.

Für die Schutzwürdigkeit im Sinne einer humanistischen Ethik hat laut HVD zu gelten: „Die moralische Verantwortung für den werdenden Menschen steigt mit der wachsenden Empfindungsfähigkeit des Fötus“. Diese sei wie auch seine Möglichkeit zur Wahrnehmung oder ggf. zur Bewusstseinsbildung durch einen notwendigen Entwicklungsgrad des neuronalen Gewebes bestimmt.[28] Sein entsprechendes Organ- und Gehirnwachstum ab der 20. Schwangerschaftswoche habe Berücksichtigung zu finden. Zudem sei zu beachten, dass er ab dem siebten Schwangerschaftsmonat selbst ohne extraordinäre intensivmedizinische Unterstützung als überlebensfähig außerhalb des Uterus gelten kann. Jedenfalls unterscheiden sich die Entwicklungsstufen (eingenistete Blastozyste, Embryo bis 5. und Fötus bis 9. Monat), wenngleich sie kontinuierlich ineinander übergehen, qualitativ so stark voneinander, dass die Vorstellung von einem entweder zu schützenden oder zu ignorierenden „ungeborenen Leben“ in jedem Fall in die Irre führt.

Die HVD-Vorschläge für eine Fristenregelung außerhalb des Strafrechts haben eine Berichterstattung mit sowohl positiver als auch (von katholischer Seite) negativer Resonanz hervorgerufen.[29] Allerdings ist erst in jüngster Zeit in ausführlichen Medienberichten die ethische, juristische, menschliche und medizinische Herausforderung von Spätabbrüchen angesprochen worden – wie von der FAZ im Beitrag „Abbruch nach der 22. Schwangerschaftswoche – zum Wohle der Mutter?“[30] Zuvor hatte die taz unter dem Titel „Drei Koma drei Prozent“[31] festgestellt: „Über die frühen Schwangerschaftsabbrüche wird wieder diskutiert. Nicht aber über die späten.“

Austarierung des Lebensschutzes durch neue embryopathische Indikation

Eine kontinuierliche Zunahme der Spätabtreibungen ist auf die ständige Verfeinerung der pränatalen Diagnostik bis hin zum Erkennen auch von komplexen Störungsbildern zurückzuführen – etwa bei Routineuntersuchungen um die 20. bis 30. Schwangerschaftswoche. Dabei ist es mittlerweile möglich, Erkrankungen des Fötus sehr genau zu erkennen und eine Behandlung nach der Geburt zu planen, sogar bereits im Uterus damit zu beginnen – oder eben den Abbruch einer vorher in der Regel ja gewünschten Schwangerschaft zu erwägen.

Der HVD plädiert dafür, ab der 20. Schwangerschaftswoche eine eigenständige embryopathische Indikation (wieder) einzuführen und damit das verfassungsrechtlich dem Staat auferlegte Schutzkonzept neu auszutarieren. Dies würde auch dem einschlägigen Urteil des BVerfG von 1993[32] gerecht werden. Darin war bezüglich der Rechtmäßigkeit dieser Indikation ergänzend aufgeführt: Wenn „das Kind infolge einer Erbanlage oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszustandes leiden würde …“ Demgegenüber erfolgte im Gesetz von 1995 ein Verzicht auf die früher sogenannte „genetische“ Indikation. Ergeben habe sich dadurch aber „ein dickes Problem, über das die Pro-Choice-Bewegung nicht gern spricht“, führt Ulrike Lembke aus. Denn eine Abwägung bezüglich anzunehmender Leiden des geborenen Kindes habe sich völlig verschoben auf die Annahme einer Gesundheitsgefährdung auch der späteren Mutter, so ist es in der „medizinische Indikation“ gemäß § 218a vorgesehen.

Diese wird der Frau heutzutage fast ohne weiteres gewährt oder von den Ärzt*innen zugesprochen[33], wenn ein pränataler Befund zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Anomalie des Fötus vorliegt. Um dessen Schutzbedürftigkeit, um Hinweise für seine wie ausgeprägte Schädigung und deren mögliche Behebung oder um begründete Annahmen für seine Lebensperspektive als Kind – um all das soll es dabei nicht gehen: Ersatzweise ist dafür in der Gesetzesfassung von 1995 ein „Quasi-Frauenrecht“ implementiert worden.

Darin sieht der Deutsche Juristinnenbund (djb) kein auch nur erwähnenswertes Problem, wenn er in seinem feministisch konnotierten Reglungsvorschlag lapidar ausführt: Sogenannte Spätabbrüche spielen in der Praxis eh nur dann eine Rolle, „wenn entweder die Gesundheit der schwangeren Person gefährdet ist oder pränataldiagnostische Untersuchungen auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Fötus deuten.“ Die Juristinnen weisen lediglich auf die derzeit gültige Leitlinie der AWMF[34] hin und führen in ihrem Positionspapier aus: Nach dieser sollen Frühgeborene „im Regelfall ab der 25. Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von mindestens 400 Gramm unabhängig vom Wunsch der Eltern lebenserhaltend statt nur palliativ therapiert werden.“[35] Doch auf dieses Kriterium kann das Problem der späten Schwangerschaftsabbrüche nicht reduziert werden. Damit würden ethische und menschliche Fragestellungen und Konflikte ausgeblendet, die vielmehr Gegenstand einer neuen embryopathischen Indikation zu sein haben.

Pränataldiagnostik und Bezug auf jeden Einzelfall bei Spätabbrüchen

Die notwendige Entscheidung oder Gewissensfrage für oder gegen einen Spätabbruch, wenn sich vorher auf das Kind gefreut wurde, muss besonders abgewogen werden. Dabei ist jeder Fall anders: So liegt zum Beispiel medizinisch zwar eine günstige Prognose vor, aber die Schwangere oder die Elternbeziehung wirkt recht labil, vielleicht gibt es auch noch weitere Kleinkinder. Eine schwerere Erkrankung des Fötus kann unter Umständen auch schon pränatal behandelbar sein.[36] Oder aber eine geistige Einschränkung mit charakteristischem Aussehen ist bei genetischen Defekten (Trisomie 21)[37] gegeben, was aber die Lebensqualität des Kindes, Jugendlichen und späteren Erwachsenen nicht negativ beeinflussen müsste.

Dazu wäre in allen Fallkonstellationen durchaus eine verpflichtende psychosoziale Beratung mit anschließender Bedenkzeit überlegenswert, deren Ergebnisoffenheit garantiert sein müsste. Sie sollte nicht – wie etwa die Pflichtberatung laut § 219 StGB – Schwangeren eine Austragung nahebringen, sondern vielmehr einen individuellen Abwägungsprozess anregen und fördern. Für diese Qualifikation bei embryopathischer Indikation könnten bestehende Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen prädestiniert sein.[38]

Mit einer problematischen Diagnose des Fötus beginnt meist das intensive Ringen aller Beteiligten um eine Bewertung.[39] Sie müssen dabei nicht nur das Ausmaß einer zukünftig zu erwartenden, möglicherweise lebenslangen Sorge ab der Geburt erwägen, sondern sich auch mit ethischen Grenzen und moralischer Verantwortung auseinandersetzen. Es fehlen dazu Ausführungsrichtlinien oder Leitlinien: Bis zu welchem fortgeschrittenen Zeitpunkt nahe der natürlichen Geburt dürfte und bei welchem Schweregrad der Erkrankung bzw. Behinderung sollte (um dem Neugeborenen selbst schweres Leid zu ersparen) ein Abbruch durchgeführt werden; welche Behandlungs- und Fördermaßnahmen gibt es für ihn; wie würde das Entwicklungsstadium des Fötus in Bezug auf die Gesundgefährdung[40] der Frau und die Belastung der Familie ins Gewicht fallen; ist mit Stigmatisierung und Unverständnis oder mit Achtung und Solidarität aus dem Umfeld zu rechnen?

Als zusätzliches Thema ist in den letzten Jahren die Entwicklung eines nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) hinzugekommen, der relativ einfach bei Schwangeren anhand ihres Blutbildes (d. h. ohne Fruchtwasseruntersuchung mit teils gefährlichen Nebenwirkungen) schon früh Gendefekte wie vor allem Trisomie 21 erkennen soll. Der Test ist seit Juli 2022 von den Krankenkassen erstattungsfähig, wenn Ärzt*innen und Patient*innen sich nach Absprache dafür entscheiden. Unlängst hat der Berufsverband niedergelassener Pränatalmediziner*innen Handlungsbedarf angemeldet und eine ausstehende Indikation gefordert. Als ein Grund für die ärztliche Initiative wird angegeben, dass vor allem bei jüngeren Schwangeren die Testergebnisse unsicher seien, was jedoch nicht hinreichend beachtet würde. So bestünde die Gefahr, dass im Regelfall ja bei negativen Testergebnissen ein später genaueres Screening hinausgezögert wird, was dann wiederum zu mehr Spätabbrüchen führen kann.[41]

Kommt es zu immer weniger Geburten von Babys zum Beispiel mit Trisomie 21, wird eine Gruppe von entsprechenden Menschen bald kaum mehr existieren[42]. Es stellt sich die Frage: Wenn eine Gesellschaft, die sich doch ansonsten Diversität so groß auf die Fahnen schreibt, ihnen entspannter, zugewandter und leistungsbereiter begegnen würde, könnten dann auch Mütter oder Eltern ihre Geburt vielleicht willkommener heißen?

Die Sondervoten im BVerfG-Urteil von 1993

Aus dem Verfassungsrecht ist eine staatliche Schutzpflicht heute nicht mehr wegzudenken, die eine Person vor Rechtsverletzungen nicht nur durch den Staat, sondern auch durch andere bewahrt. Dem steht entgegen, argumentiert Prof. Ulrike Lembke in der Legal Tribune Online, dass dies nicht auf das Verhältnis Schwangere und früher Embryo passt, weil diese beiden zumindest in den ersten Schwangerschaftswochen (ganz nach dem Motto: mein Bauch gehört mir) eine „Zweiheit in Einheit“ bilden.[43] Dies habe das BVerfG 1993 selbst so formuliert und nicht destotrotz verkannt, dass der Embryo kein selbständiges Rechtsgut (sprich: keine Person mit unantastbarer Menschenwürde) darstellt und vom Staat erst recht nicht mit Mitteln des Strafrechts gegenüber der Schwangeren zu schützen sei.

So wiesen auch die beiden Verfassungsrichter Bertold Sommer und Ernst Gottfried Mahrenholz (von acht Mitgliedern des 2. BVerfG-Senats) 1993 in ihrem Sondervotum[44] darauf hin, Schwangeren gebühre gemäß „Achtung ihres Persönlichkeitsrechts“ angesichts einer „Zweiheit in Einheit“ in der Frühphase der Schwangerschaft die Letztentscheidung darüber. Eine solche gegen die Austragung der „Leibesfrucht“ sei keinesfalls als Unrecht (sprich: als rechtswidrig) zu behandeln, wenn sich die Frau innerhalb einer (damals zur Debatte stehenden) 12-Wochenfrist habe beraten lassen. Ihre Auffassung konnte sich bei den übrigen Senatsmitgliedern (darunter eine Frau) bekanntlich nicht durchsetzen, sondern die Mehrheit bestand auf strengsten Vorgaben für Ärzt*innen sowie für die vorausgehende Pflichtberatung und vor allem auf der bleibenden Rechtswidrigkeit.

Thomas Darnstädt führt in seinem Buch das Gerangel und „Geschachere“ damals „in dem Eckzimmer auf dem Karlsruher Schloßplatz“ zwischen Sozial-Liberalen, christlich-fundamentalistischen Hardlinern und Vermittelnden (wie Ernst-Wolfgang Böckenförde) vor Augen.[45] Miteinander ausgehandelt wurden da etwa die Zustimmung zur befristeten Befreiung von Strafe, das Werbeverbot für Ärzt*innen und die Nicht-Finanzierung eines rechtswidrig bleibenden Eingriffs durch die Krankenkassen. Und gefunden werden musste, so Darnstädt, „eine Brücke, über die auch die Bischofe gehen konnten.“ Für die Kirchen habe es eine Verschärfung gegeben: „Die Würde des Menschen liegt auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen“ – dieser bekanntlich unantastbare Bezug sollte nunmehr gelten.[46]

Sommer und Mahrenholz brachten vor, dass die Schwangerschaft nicht nur biologisch, sondern auch verfassungsrechtlich als ein Prozess zu betrachten sei. Im Laufe der Schwangerschaft, so argumentierte die beiden Abweichler, ändern sich die Verhältnisse. Mit „dem Wachsen der Leibesfrucht, sobald sie sichtbar und greifbar“ würde, übernehme dann der Staat die Verantwortung für den sich „verselbständigen Teil“, die „Eigenverantwortung“ der Frau für sich aber bliebe[47]. Dann müsse eine Kollision der Würde des Embryos und der Würde der Schwangeren verhältnismäßig adäquat aufgelöst werden.

Schlussbetrachtung und Ausblick

Bei der Forderung nach reproduktiver Selbstbestimmung bleibt bisher eine Argumentationsfigur scheinbar unbeachtet: Die aktuelle (!) Rechtslage ist mit einer verfassungsgerichtlichen Lebensschutzvorgabe nicht in Einklang zu bringen. Die Absolutheit der Beurteilungen aus Karlsruhe – dass die Interessen des frühen Embryos gegenüber den Rechten der Schwangeren unbedingt Vorrang haben müssen – hat zu unvereinbaren Wertungswidersprüche geführt.

Denn wie kann es verfassungsrechtlich legitimiert sein, dass die Austragung einer bis zu 12 Wochen alten Leibesfrucht nur verhindert werden darf bei staatlich verpflichtender Beratung und aufrechterhaltener Rechtswidrigkeit (d.h. Missbilligung) – diese vermeintlich tauglichen Schutzmaßnahmen aber bei Spätabbrüchen eines entwickelten Fötus hinfällig sind?

Die Sondervoten von Bertold Sommer und Ernst Gottfried Mahrenholz vor 30 Jahren lassen durchaus hoffen, dass ihr Geist im heutigen Bundesverfassungsgericht mehrheitsfähig wäre. Dessen Vorgaben sind – statt ihnen mit Befürchtung oder Ignoranz zu begegnen – zwar zu beachten, aber nicht als eine in Stein gemeißelte Grenze für parlamentarische Reformvorhaben.

Die jetzt eingesetzte Prüfkommission soll bis Frühjahr 2024 ihre unvoreingenommen erarbeiteten und möglichst konsensfähigen Schlussfolgerungen zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts vorlegen. Bundesjustizminister Marco Buschmann hob anlässlich ihrer Konstituierung hervor: „In der Kommission haben wir nicht nur Sachverstand aus Rechtswissenschaft und Medizin, sondern auch aus anderen Fachbereichen gebündelt. So schaffen wir für die politische und gesellschaftliche Diskussion einiger der schwierigsten Fragen der reproduktiven Selbstbestimmung eine aktuelle wissenschaftliche Grundlage.“ Dabei soll auch ausreichend Raum bleiben für die „notwendige breite politische und gesellschaftliche Diskussion“.[48]

Dieser Artikel versteht sich dazu als vorbereitender Beitrag aus humanistischer und medizinethischer Sicht.

 

Anmerkungen

[1] Siehe https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/511299/aufhebung-des-ss219a/

[2] https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2022/Downloads/0214_Stellungnahme_HVD_Aufhebung_Paragraph_219a_StGB.html (Zugriff hier und im Folgenden: 02.06.2023).

[3] Ähnliches gilt für ein Verbot von „Gehsteigbelästigungen“ durch meist radikalreligiöse Lebensschützer*innen, die abtreibungswillige Frauen sowie entsprechende Beratungsstellen, Arztpraxen und Kliniken vor Ort teils massiv einzuschüchtern versuchen und bedrohen. Gesetzlich Maßnahmen dagegen sind bereits im Ampelkoalitionsvertrag (S. 118) angekündigt. Siehe https://hpd.de/artikel/gehsteig-belaestigung-wird-zur-ordnungswidrigkeit-20722

[4] Zudem sind Angebote und Qualität der ärztlichen Ausbildung mangelhaft, siehe https://www.dhz-online.de/news/detail/artikel/versorgungsnotstand-schwangerschaftsabbruch-gezielt-bereitwillige-aerztinnen-einstellen

[5] Siehe https://de.statista.com/infografik/27437/anzahl-der-praxen-und-krankenhaeuser-in-deutschland-die-schwangerschaftsabbrueche-vornehmen/

[6] Siehe https://correctiv.org/aktuelles/gesundheit/2022/03/03/keine-abtreibungen-in-vielen-oeffentlichen-kliniken

[7] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/142164/Kommission-zu-reproduktiver-Selbstbestimmung-konstituiert

[8] Darnstädt, Thomas: Verschlusssache Karlsruhe. Die internen Akten des Bundesverfassungsgerichts, München 2018, S. 329 ff.

[9] BVerfGE 39, 1 – Schwangerschaftsabbruch I (1975), siehe https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv039001.html

[10]  BVerfGE 88, 203 – Schwangerschaftsabbruch II (1993), siehe https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv088203.html

[11] Die Blastozyste bezeichnet das Entwicklungsstadium einer ca. 200 Zellen umfassende Hohlraum-Struktur, welche sich etwa 5 Tage nach der Befruchtung der Eizelle in den Uterus der Frau einzunisten vermag. Dieser Vorgang kann als evolutionsbiologisches „Wunder“ bei der embryonalen Entwicklung bestaunt werden. Jedenfalls aber wäre die beginnende Zuschreibung von Menschenwürde nicht anders als religiös bzw. mit dem Bild von der Spezies Mensch als „Krönung der Schöpfung“ zu begründen. Der sehr frühe Embryo kann nicht um seiner selbst willen eine moralische Wertschätzung erfahren, sondern aufgrund einer Erwartungshaltung, Achtung und vor allem eines Gewünschtseins von der späteren Mutter bzw. den Eltern o.a.

[12] Siehe https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Schwangerschaftsabbrueche/Tabellen/03-schwangerschaftsabbr-rechtliche-begruendung-schwangerschaftsdauer_zvab2012.html

[13]Siehe https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Schwangerschaftsabbrueche/_inhalt.html

[14] https://taz.de/Schwangerschaftsabbruch-nach–218/!5751368/

[15] https://www.stern.de/news/paus-dringt-auf-neuregelung-von-schwangerschaftsabbruechen-ausserhalb-des-strafrechts-33069492.html

[16] https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-01/schwangerschaftsabbrueche-bayern-klage-paragraf-218

[17] Die Jungsozialist*innen in der SPD (Jusos) hatten auf ihrem Bundeskongress 2018 gefordert, auch außerhalb der abzuschaffenden §§ 218 ff. auf jegliche Fristen zu verzichten, da diese immer willkürlich seien. Ihnen wurde daraufhin vorgeworfen, damit für legale Abbrüche bis zum 9. Schwangerschaftsmonat einzutreten. Relativierend demgegenüber: https://correctiv.org/fakten-check/2018/12/15/nein-die-jusos-haben-keine-regelung-fuer-schwangerschaftsabbrueche-bis-zum-neunten-monat-beschlossen-4/

[18] Siehe dazu Karl Lauterbachs Statement: https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/0331_Kommission_Selbstbestimmung.html

[19] Siehe https://www.stern.de/politik/deutschland/paragraf-218–bundesfamilienministerin-lisa-paus-fordert-abschaffung-33075330.html

[20] Darunter etwa die Mitglieder vom konfessionsfrei-säkularen Institut für Weltanschauungsrecht, siehe https://hpd.de/artikel/fuer-entkriminalisierung-des-schwangerschaftsabbruchs-21172 oder der Zentralrat der Konfessionsfreien https://konfessionsfrei.de/abschaffung-219a/

[21] Im aus ca. 40 verschiedenen Unterstützer-Organisationen und -Gruppierungen bestehenden Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung wurde die im März von der Ampelregierung eingesetzte Prüfkommission hoffnungsvoll begrüßt. Verbunden sei damit nun, so Ines Scheibe, Mitbegründerin des Bündnisses, die Erwartung an „schnelle und konkrete Ergebnisse. § 218 StGB muss endlich gestrichen werden!“

Siehe https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/thema/presse/pressemitteilungen/

[22] Ergebnisorientierte Reformvorschläge, was nach der Streichung allen Strafrechtsparagrafen kommen sollte, vermag das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung selbst nicht zu formulieren oder auch nur zu unterstützen. Denn unvereinbar stehen sich dort Positionen gegenüber, die etwa eine liberale Fristenlösung vertreten, denen gegenüber, die unter „Entkriminalisierung“ den Verzicht auf jegliche Neuregelung verstehen (entsprechend der Position der Jusos, siehe Fußnote 17).

[23] Siehe https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st22-26. Darin wird als internationale Grundlage u.a. verwiesen auf das „CEDAW“-Frauenrechtsdokument der UN für die Verwirklichung von reproduktiver Selbstbestimmung: Committee on the Elimination of Discrimination against Women

[24] Siehe https://humanismus.de/presse-aktuelles/aktuelles/pressemitteilung/2022/10/neuregelung-schwangerschaftsabbruch/. Die (medizin-)ethische Ausrichtung dabei mag der Auffassung von Bundesgesundheitsminister Lauterbach entsprechen, siehe Fußnote 18.

[25] https://taz.de/Spaete-Schwangerschaftsabbrueche/!5886892/

[26] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Schwangerschaftsabbrueche/Tabellen/03-schwangerschaftsabbr-rechtliche-begruendung-schwangerschaftsdauer_zvab2012.html

[27] Siehe https://www.aerzteblatt.de/archiv/45055

[28] Vgl. dazu auch Schmidt-Salomon, Michael: Schwangerschaftsabbruch im liberalen Rechtsstaat, Oberwesel, 2022, S. 11 f.

[29] „Ein Papier zur gesetzlichen Neuregelung von Abtreibungen zeigt eindrucksvoll, wessen Geistes Kind die ‚Humanisten‘ sind“, heißt es anklagend in der Tagespost, siehe https://www.die-tagespost.de/politik/humanisten-fordern-straffreie-abtreibungen-bis-zur-20-woche-art-233061. Demgegenüber lobt die Junge Welt das HVD-Papier unter dem Titel „Künstliche Hürden beseitigen“, siehe https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/437125.reproduktionsrecht-k%C3%BCnstliche-h%C3%BCrden-beseitigen.html

[30] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/spaetabtreibung-wer-ueber-den-ablauf-der-geburt-bei-einem-fetozid-entscheidet-18786950.html

[31] Dies ist der exakte Anteil im Jahr 2021, siehe https://taz.de/Spaete-Schwangerschaftsabbrueche/!5886892/

[32] BVerfGE 88, 203 – Schwangerschaftsabbruch II (1993), siehe Fußnote 8

[33] De facto geschehen fast alle gut 3.000 legalen Schwangerschaftsabbrüche nach den ersten zwölf Wochen aufgrund einer pränatal diagnostizierte Behinderung des Fötus, siehe https://taz.de/Spaete-Schwangerschaftsabbrueche/!5886892/

[34] Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF),

Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 024/019, 24.6.2020

[35] Dabei sind die letzten drei Schwangerschaftsmonate bei bereits entwickelter organischer und körperlicher Ausstattung vorwiegend durch eine Zunahme von Gewicht und Größe geprägt, was jeweils die Überlebenswahrscheinlichkeit von Frühgeborenen stetig erhöht.

[36] Möglich ist ggf. die Gabe von Medikamenten an die Schwangere oder direkt in die Nabelschnur, oder Maßnahmen von intrauterinen Bluttransfusionen bis hin zu operativen Eingriffen am Fötus.

[37] Menschen mit Down-Syndrom haben ein Chromosom zu viel, nämlich das Chromosom 21: Es kommt dreimal, statt wie üblich zweimal vor. Daher heißt ist in der Fachsprache auch „Trisomie 21“.

[38] Bei diesen wäre mit freien Kapazitäten zu rechnen, wenn stattdessen die Pflichtberatung in den Regelfällen eines Abbruchs innerhalb der bestehenden 12-Wochenfrist wegfällt und nur noch freiwillig in Anspruch zu nehmen ist.

[39] Zurzeit haben die Pränatalmediziner*innen (oft subjektiv geprägt) letztendlich zu bestimmen, ob eine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch aufgrund unzumutbarer Gefährdung der körperlichen oder psychischen Gesundheut der Frau besteht. Die Schwangere bzw. das Paar haben sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie das in der Regel zunächst ja gewünschte Kind doch bekommen und aufziehen wollen, welche Alternativen zu einem Abbruch und welche späteren Überstützungsmöglichkeiten es gibt.

[40] Im Strafrechts-Art. 119 der Schweiz zum Schwangerschaftsabbruch heißt es lapidar: „Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.“

[41] Laut Ärzte Zeitung wurde der Test im dritten Quartal 2022 gemäß Zahlen des GKV-Spitzenverbandes bereits mehr als 50.000 Mal abgerechnet. Der Bremer Senat hat angekündigt, eine Bundesratsinitiative zum nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) einzubringen und nennt unter anderem als Begründung: „Erste Beobachtungen zeigen, dass es momentan zu einer Zunahme von Spätabbrüchen kommt, da (andere) Auffälligkeiten deutlich später in der Schwangerschaft detektiert werden“. Siehe https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Nicht-invasive-Praenataltests-Bremer-Senat-will-Monitoring-438774.html.

[42] Deren „Aussterben“ ist bereits in Dänemark als „Tod der Downs“ teils beklagt worden. Siehe https://www.welt.de/politik/ausland/article191601827/Praenataldiagnostik-Wo-es-kaum-noch-Babys-mit-Downsyndrom-gibt.htm

[43] Siehe https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/ag-giessen-werbung-aerztin-schwangerschaftsabbruch-kriminalisiert-toetungsdelikt-rechtslage-deutschland/2/

[44] Siehe BVerfG-Urteil unter https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv088203.html#Opinion, dort ab Randnummer 379

[45] Siehe Fußnote 8

[46] Darnstädt, a.a.O., S. 371

[47] wie Fußnote 47

[48] Buschmanns Statement siehe https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/0331_Kommission_Selbstbestimmung.html

Dieser Aufsatz ist auch als zitierfähiges PDF verfügbar.

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